Das OLG Frankfurt am Main hat mit seiner Entscheidung vom 18.10.2018 (22 U 97/16) den Weg für eine individuelle, strukturierte, berechenbare und vor allem die Dauerhaftigkeit von Schädigungen nachvollziehbar berücksichtigende Bemessung von Schmerzensgeldern geebnet. Es weist darauf hin, dass die Berechnungsvariante im Handbuch Schmerzensgeld (Schwintowski/Schah Sedi, Schah Sedi, 2013) Grundlage für eine angemessene Berechnung sein kann und wendet sie selbst an.

„Der Senat hält […] einen Vergleich mit anderen Entscheidungen, sowie auch die Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch des Alters der Verletzten und der Dauer der Beeinträchtigungen im Wege einer pauschalen Betrachtung für unzureichend, um den Umfang der Beeinträchtigungen eines Verletzten gleichmäßig und auch für Geschädigte voraussehbar zu berechnen. Die Erfahrungen des Senats zeigen, dass die Bemessung eines Schmerzensgeldes in geradezu extremer Art und Weise von der persönlichen Situation des erkennenden Richters, den Vorstellungen, die der Rechtsanwalt des Geschädigten äußert und auch von dem Landstrich abhängt, in dem sich das Gericht befindet. Diese Umstände lassen es für die außergerichtliche Rechtsberatung nahezu unmöglich erscheinen, einen tatsächlich angemessenen Betrag zu errechnen, hinsichtlich dessen auch mit einem Klageerfolg gerechnet werden kann. Insbesondere die lange Dauer einer Beeinträchtigung wird oftmals durch die Gerichte unterschätzt, wie sich an vielen Beispielen aus der Schmerzensgeldtabelle Hacks/Wellner/Häcker erkennen lässt, wo zwar das Alter der Verletzten dargestellt wird, aber die Dauer der Auswirkung lediglich in kurzen Andeutungen erkennbar ist, insbesondere keine eigene Kategorie der Bemessung darstellt.“

Beispielhaft verweist das Gericht auf Entscheidungen, die bei einer Unterschenkelamputation auf die statistische Lebenszeit gerechnet tägliche Schmerzensgeldbeträge von 3 € auswerfen. „Dies erscheint dem Senat als unerträglich.“

Die Grundlagen der Berechnung erläutert der Senat unter Hinweis auf die umfassenden Ausführungen im Handbuch Schmerzensgeld wie folgt:

Auf der ersten Stufe sind taggenau die Behandlungsabschnitte (Intensivstation, Normalstation, Reha, ambulante Pflege) zu ermitteln. Dauerschäden sind über den Grad der Schädigungsfolgen ebenfalls taggenau ggf. bis zum statistischen Lebensende abzubilden.

Da nach Auffassung des Senats vor dem Schmerz alle Menschen gleich sind, ist das Anknüpfen hinsichtlich der Höhe der Basiswerte an das durchschnittliche Bruttonationaleinkommen im jeweiligen Schädigungsjahr sinnvoll.

Auf der zweiten Stufe ist der auf Stufe 1 ermittelte Gesamtbetrag entsprechend dem Verschulden, Mitverschulden und sonstiger besonderer Umstände mit Zu- und Abschlägen zu korrigieren.

Die so angewendete taggenaue Bemessung von Schmerzensgeldbeträgen wird voraussichtlich dazu führen, dass vor allem lebenslange Dauerschäden deutlich höher bewertet werden; jedoch ist mit geringeren Schmerzensgeldern bei kurzfristigen kleinen Verletzungen zu rechnen.