Der Anspruch auf Herausgabe der Patientenunterlagen in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung besteht nicht.
Die Klägerin ist eine Krankenkasse mit Sitz in Berlin. Bei ihr versichert ist eine Patientin aus München, die bei der beklagten Zahnärztin in einer Praxis in München Schwabing eine Zahnbehandlung zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 hatte.
Die versicherte Patientin gab nach der Behandlung gegenüber ihrer Kasse an, dass die Zahnärztin eine Behandlung an ihr vorgenommen habe, die nicht besprochen war und dabei eine Krone zerstört worden sein soll. Sie leide an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund. Die Patientin entband die Zahnärztin von ihrer Schweigepflicht und erklärte sich mit der Herausgabe der Krankenunterlagen an ihre Krankenversicherung einverstanden. Die Krankenversicherung forderte Ende April 2013 erstmals die Krankenunterlagen der bei ihr versicherten Patientin bei der Zahnärztin an. Diese reagierte nicht. Deshalb erhob die Versicherung Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten. Daraufhin legte die beklagte Zahnärztin einen Teil der Krankenunterlagen vor, wobei die Kopien der Röntgenaufnahmen nicht auswertbar waren wegen ihrer schlechten Qualität. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Karteikartenausdruck über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgenaufnahmen angesehen werden könne.
Im Übrigen macht die Zahnärztin ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung noch nicht bezahlt sei.
Die zuständige Richterin gab der klagenden Krankenkasse Recht. Diese kann verlangen, dass die Zahnärztin gegen Kostenerstattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt.
Das Gericht führt in den Urteilsgründen aus, dass ein Patient einen Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen hat. Ein besonderes Interesse muss dafür nicht dargelegt werden. Dieser Anspruch der Patientin sei auf die Versicherung übergegangen wegen eines möglicherweise bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung. Mit diesem Anspruch gehe auch das Einsichtsrecht in die Patientenakte auf die Versicherung über. Denn es handelt sich dabei um ein Hilfsrecht, das zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sei.
Der Anspruch bestehe auch in vollem Umfang fort, obwohl die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt hat. Denn jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht haben keine lesbaren Kopien der Röntgenunterlagen vorgelegen. Durch die Vorlage der übrigen Patientenunterlagen (ist) keine Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen als einheitlicher Anspruch erst dann erfüllt ist, wenn die Einsicht in die vollständigen Patientenunterlagen gewährt wurde, so das Gericht. Es sei auch keine teilweise Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakten einheitlich sei und nicht teilbar.
Die Zahnärztin hat nach dem Urteil auch nicht das Recht, die Unterlagen zurück zu behalten, da die Behandlungsrechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen soll gerade die Feststellung eines möglichen Behandlungsfehlers …ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung durch die Versicherte oder die Klägerin verweigert wird. Dies würde konterkariert, könnte dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankenunterlagen ein Zurückbehaltungsrecht entgegengehalten werden., so die Urteilsbegründung.
Urteil des Amtsgerichts München vom 06.03.2015, Aktenzeichen 243 C 18009/14
Das Urteil ist rechtskräftig.
Pressemitteilung des Amtsgerichts München vom 15. Januar 2016